388 – Kinderfotos im Netz – Erinnerungen bewahren, Verantwortung übernehmen
Die Podcast-Sendung zum Thema
In dieser Folge sprechen Michael und Lars – beide Väter und leidenschaftliche Fotografen – über ein Thema, das viele betrifft und oft unterschätzt wird: den verantwortungsvollen Umgang mit Kinderfotos in einer digitalen Welt. Warum sind Kinderbilder für Familien so wertvoll?
Wo liegt die Grenze zwischen persönlicher Erinnerung und öffentlicher Zurschaustellung? Und was bedeutet es heute, ein Foto mit gutem Gewissen zu veröffentlichen – angesichts von Social Media, Mobbinggefahr, KI-Manipulation und Deepfakes?
Eine Folge über ein sensibles Thema – mit viel Erfahrung, praktischen Anregungen und ohne erhobenen Zeigefinger. Dafür mit einem klaren Ziel: Kinderschutz und Bildkultur in Einklang bringen.

Kinderfotos – zwischen Erinnerung und Verantwortung
von Lars Ihring
Besonders die Ferienzeit bringt unzählige Fotomomente mit sich – vor allem dann, wenn Kinder unbeschwert spielen, lachen, toben oder Neues entdecken. Ich kenne das gut, denn ich habe selbst einen Sohn. Und ja, ich halte viele dieser kleinen Momente mit der Kamera fest – weil ich weiß, wie schnell sie vergehen.
Was ich heute fotografiere, wird irgendwann ein Stück seiner Kindheit sein. Für ihn, für uns als Familie, für später. Doch genau deshalb mache ich mir auch Gedanken: Was mache ich mit diesen Fotos? Und: Wo ist die Grenze zwischen schöner Erinnerung und öffentlicher Zurschaustellung?
Zum Start der Ferien haben mehrere Organisationen – klicksafe, SCHAU HIN!, Gutes Aufwachsen mit Medien, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) – eine gemeinsame Aktion gestartet. Sie rufen dazu auf, beim Teilen von Kinderfotos im Netz bewusster hinzusehen. Ich finde: zurecht und möchte diese Aktion unterstützen.
Warum wir Kinderfotos machen
Wir lieben es, unseren Sohn zu fotografieren. Nicht weil wir perfekte Fotos brauchen – sondern weil wir Erinnerungen festhalten wollen: seinen Blick, wenn er sich konzentriert; das Chaos nach dem Eisessen; der Moment, in dem er etwas Neues lernt. Diese Fotos erzählen, wie er groß wird. Und sie erzählen auch etwas über uns als Familie, als Eltern.
Solche Fotos haben für uns einen enormen Wert. Sie sind Teil unserer Familiengeschichte. Und wir haben eine gemeinsame Regel: Fotos unseres Kindes kommen nicht ins Internet.
Ja, es gibt in bestimmten Situationen Ausnahmen, doch überlegen wir bei jeder Veröffentlichung:
- Muss das ins Netz?
- Ist das nur für uns – oder auch für andere?
- Ist er erkennbar?
- Geht es um die Situation oder ihn als Motiv, als Person?
- Kann unser Kind in ein paar Jahren noch zu diesem Foto stehen?
Was passieren kann, wenn man nicht aufpasst
Man denkt oft: „Das ist doch nur ein harmloses Foto.“ Aber was harmlos gemeint ist, kann anders ausgelegt oder sogar missbraucht werden. Es gibt Plattformen, auf denen Kinderfotos gesammelt, sexualisiert oder aus dem Zusammenhang gerissen werden. Das klingt drastisch – ist aber Realität. Auch die Medienkompetenz-Initiativen warnen inzwischen deutlich davor.
Und es geht nicht nur um Kriminalität. Es reicht, wenn unser Sohn später online ein Foto findet, auf dem er sich lächerlich fühlt. Unvorteilhafte oder peinliche Fotos, die einmal online sind, lassen sich kaum noch einfangen – und können schnell Auslöser für Hänseleien oder sogar gezieltes Mobbing in der Schule oder im Freundeskreis werden. Kinder haben in solchen Fällen kaum eine Chance, ihr digitales Abbild selbst zu kontrollieren, wenn wir als Eltern unbedacht handeln. Genau deshalb braucht es ein Bewusstsein dafür, was wir zeigen – und was besser privat bleibt.
Neue Risiken durch KI und Bildmanipulation
Dazu kommt: Die Technik entwickelt sich rasant. Künstliche Intelligenz, Deepfakes und Face-Swapping machen es möglich, aus echten Kinderfotos täuschend echte Fake-Bilder oder Videos zu erzeugen. Selbst harmlose Aufnahmen können plötzlich in einem völlig falschen Kontext auftauchen.
Das macht uns als Eltern und Fotografen doppelt bewusst, wie vorsichtig wir mit solchen Fotos umgehen müssen. Was wir heute als private Erinnerung aufnehmen, kann morgen von anderen missbraucht oder manipuliert werden – ohne unser Wissen, ohne unser Zutun.
Das sollte man sich zur Regel machen
Die Einstellung „Keine Kinderfotos im Internet“ ist drastisch, aber die Privatsphäre eines Kindes sollte respektiert werden.
Natürlich muss nicht jede Familie diesen Weg gehen. Wer sich bewusst dafür entscheidet, Kinderfotos zu veröffentlichen, sollte dabei zumindest einige klare Grundsätze haben. Diese einfachen Fragen und Regeln helfen, sensibel und verantwortungsvoll mit dem Thema umzugehen:
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Würde (m)ein Kind dieses Foto auch in zehn Jahren noch gut finden?
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Zeigt das Foto (m)ein Kind in einer Situation, die verletzlich, peinlich oder entwürdigend wirken könnte?
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Ist das Foto wirklich für die Öffentlichkeit bestimmt – oder reicht es, wenn es im Familienalbum bleibt?
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Habe ich das Kind (je nach Alter) um Erlaubnis gefragt – und auch die Zustimmung der Eltern eingeholt, wenn es nicht mein eigenes ist?
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Behandle ich das Kind nicht nur als Motiv, sondern mit dem Respekt einer eigenen Persönlichkeit?
Diese Fragen sind kein Aufwand – aber sie machen den entscheidenden Unterschied zwischen unbedachter Veröffentlichung und bewusstem Umgang mit einem sensiblen Thema.
Warum Kinderfotos trotzdem wichtig sind
Trotz aller Vorsicht: Ich finde, wir sollten Kinderfotos nicht verteufeln. Sie sind wichtig. Sie erzählen, wer wir sind, wo wir herkommen, wie wir als Familien leben. Und sie helfen unseren Kindern, ihre eigene Geschichte zu verstehen.
Gerade die ungestellten, ehrlichen Aufnahmen sind es, die später wirklich zählen. Aber genau deshalb verdienen sie auch Respekt. Fotografieren heißt nicht nur, einen Moment festzuhalten – sondern Verantwortung zu übernehmen für das, was aus diesem Moment wird.
Ich hoffe, dieser Text regt zum Nachdenken an – nicht als Warnung, sondern als Einladung zum bewussteren Umgang. Vielleicht habt ihr ja auch eigene Gedanken oder Erfahrungen dazu? Ich freue mich, wenn ihr sie teilt.
Liebe Grüße,
Lars
»…der bewusste, respektvolle Umgang mit den Menschen, die wir fotografieren« sollte eigentlich für jeden Fotografen selbstverständlich sein. Natürlich auch und gerade wenn es um Kinder geht. Ich habe in meinem Fotografenleben schon oft genug Kinderfotos gemacht oder machen müssen. Kinder sind wohl die dankbarsten Fotomodelle überhaupt, weil da oft Vieles unbekümmert, ungestellt bleibt, obwohl sie natürlich auch posieren können. Deswegen sind Kinder in der Werbefotografie, im Journalismus oder auch in Film und Fernsehen so beliebt. Und 2,4 Mrd. Kinder aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen zu wollen, erscheint mir völlig sinnfrei. Mit diesem Anspruch sind hier aber so einige unterwegs, und durch Deinen Artikel dazu, fühlen sie sich auch sicher bestätigt.
Ein Erfolg im Kampf gegen Kinderpornographie oder Missbrauch ist durch das Verbot von Kinderfotos im Netz jedenfalls nicht gesichert. Darum sollten sich Strafverfolgungsbehörden mit entsprechender personeller und technischer Ausstattung kümmern. Und Fotoplattformen wie die fc in allen Ehren, toll fotografierte Kindermotive kriegt man auch mit screenshots von Film oder Fernsehen, und dann sogar größer, als die Briefmarken in der fc.
Wenn die Kunst vor den Pädophilen kapitulieren soll, ist das schon ein Armutszeugnis.
Dass da auch irgendwo Fehler im System liegen ist aber unübersehbar. Das Bildungssystem ist marode, seine Infrastruktur auch. Tiktok, facebook oder diverse messenger-Plattformen haben mehr Einfluss auf unsere Jugend und deren Kommunikation, als Viele wahrhaben wollen. Was da an Fotos und Filmchen in challenges abläuft, macht mir viel mehr Angst, als die Frage, ob nun Kruzifixe in der Schule hängen sollen, oder nicht. Das ist aber scheinbar das Einzige, was Bildungspolitik für manche Politiker auszumachen scheint. Dabei sind die Parlamente voll mit ehemaligen Pädagogen.
Die an den Schulen wiederum um so mehr fehlen …
Und dann ist da sicher noch das Problem der überforderten Eltern, der Helicoptereltern, und der work-life-Balance.
Ja, es gibt unglaublich viele gute Eltern, Familien. Aber es gibt eben auch all das.
Und jede Menge (gute – nicht nur »nette«) Kinderfotos, die auch (hier) gezeigt werden sollten.
Hallo Frank,
Danke für Deine Rückmeldung. Um ein „Verbannen“ von Kinderfotos geht es nicht – es geht darum, dass jede und jeder sensibler mit dem Thema umgehen und wirklich darüber nachdenken sollte, was er wo zeigt und was lieber nicht.
LG!
Lars
Hallo Lars,
das mag sein, und darf auch gerne sein. Aber auch hier sind »Rufer und Warner« unterwegs, die genau so etwas wollen. Und die fühlen sich durch solche Beiträge wie von Dir eher bestätigt. Ich werde hier niemanden denunzieren, aber es ist ja nicht nur das Thema Kinderfotos. Ich habe hier auch schon Anfeindungen wegen Zoofotos gelesen.
Nur deshalb wollte ich ein wenig Realismus in diese Diskussion bringen.
Gruß, Frank.
Hallo Frank,
Dass es „Rufer und Warner“ gibt, sollte kein Grund sein, das Thema unter den Tisch fallen zu lassen. Am Ende entscheidet jeder individuell für sich, wie er mit dem Thema umgeht. Die einen sind da eben radikaler, die anderen gemäßigter. Subjektiv und individuell gesehen gibt es für jede Sicht gute Begründungen. Aus meiner Sicht gehört das eben dazu. Entscheidend ist, wie jeder Einzelne für sich entscheidet.
LG!
Lars
Das Thema und die Aufrufe zu sorgfältigerem Umgang mit Kinderfotos sind so wichtig, wie unstrittig!
Ungeachtet dessen erheben sich für tausende Fotografen einige unlösbare Fragen:
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Wie sollen sie (sollen Eltern) wissen, ob der/die Dreijährige sich mit 13 oder 15 noch „gut findet“.
Im Vorbehalt eines sich bis dahin 3x ändernden Mainstream-Geschmacks?
Im Vorbehalt, das sich bis dahin Techniken ebenso geändert haben, wie das „Posting“-Verhalten der Jugendlichen selbst?
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Wie fragt man Eltern, die kaum Deutsch sprechen und/oder die Problematik überhaupt nicht einschätzen können, weil in ihrem Kulturkreis das Thema Kinderfoto überhaupt keine problematische Rolle spielt? Schriftlich? In Landesprache per Formulare? Alles Unsinn, ich weiß. Aber ich schreibe jedoch hier aus Erfahrung vieler professioneller Kollegen.
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Streetfotografie / Reportagefotografie: Wie holt man sich Genehmigungen von 16 jährigen oder deren Eltern, die (bis man sie fragen kann) längst aus der Szene verschwunden sind?
Ganz abgesehen davon, dass eine mündliche Genehmigung im Ernstfall überhaupt nichts wert ist, weil sie locker abgestritten werden kann?
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Wie alle, mir z.T. im Detail bekannten, ernsten Untersuchungen zeigen, ist das brisante Thema Phädophilie längst der normalen Fotografie entwachsen und bastelt in großem Stil und mit AI die erschreckensten Bilder.
Hierzu reicht als Rohmaterial schon ein ganz normales offizielles Schulklassenfoto, das in der Schulwebseite auftaucht, oder ein UNICEF-Hochglanzfoto von badenden Kindern irgendwo aus Afrika.
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Fazit:
„Wenn ich als professionell und im Auftrag agierender Reporter und dokumentierender Photograph nach den offiziellen Richtlinien „sauber“ arbeiten wollte, könnte ich meinen Beruf aufgeben.“ Aussage eines sehr bekannten und vielfach ausgezeichneten Kollegen.
Ich würde mir wünschen, klare und realitätsgerechte(!) Rahmen vorzufinden anstatt als Fotografen mit schwammigen Forderungen („holen Sie die Genehmigung ein“) auf ein Glatteis geführt zu werden, das jeder beliebige Abmahnfreund zum Geldverdienen einsetzen kann.
Es reicht schon, dass ich theoretisch abkassiert werden kann, wenn ich den Eifelturm fotografiere …
Hi Fred,
danke für Deine Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich werde mal aus meiner Perspektive auf Deine einzelnen Fragen eingehen:
1. „Wie sollen sie (sollen Eltern) wissen, ob der/die Dreijährige sich mit 13 oder 15 noch „gut findet“.“
Sicher ist: Eltern können nicht wissen, ob das Kind in 10 Jahren anders entscheiden würde. Das ist in meinen Augen auch gar nicht nötig, denn eigentlich reicht die Frage an das eigene Ich: „Würde ich es als 13-jähriger gut finden, wenn man ein Foto von mir in Situation XY jetzt frei im Internet findet?“ Beantworte ich diese Frage mit nein oder mit einem komischen Gefühl, dann ist die Sache für mich klar.
2. „Wie fragt man Eltern, die kaum Deutsch sprechen und/oder die Problematik überhaupt nicht einschätzen können, weil in ihrem Kulturkreis das Thema Kinderfoto überhaupt keine problematische Rolle spielt? Schriftlich?“
Auch hier spielt in meinen Augen weniger eine Rolle, welche Antwort Eltern bzgl. einer Internetveröffentlichung geben könnten, die aus einem anderen Kulturkreis oder einem anderen Land kommen, keine oder kaum Berührung mit dem Internet haben und demzufolge auch gar nicht wissen, „welche Gefahren“ auf Kinderfotos im Netz lauern könnten. Wir als Fotografen mit diesem Wissen und aus einer Region, in der der Missbrauch von Kinderfotos und die Möglichkeiten dafür eigentlich für jeden greifbar und vorhanden sind, sollten aufgrund dieses Wissens entscheiden: Möchte ich ein Kinderfoto, das ich in Afrika, Asien etc. gemacht habe, wirklich veröffentlichen? Das zu entscheiden liegt allein in unserer Verantwortung.
3. „Streetfotografie / Reportagefotografie: Wie holt man sich Genehmigungen von 16 jährigen oder deren Eltern, die (bis man sie fragen kann) längst aus der Szene verschwunden sind?“
Hier gelten grundsätzlich die rechtlichen Vorgaben. Siehe dazu: https://news.fotocommunity.de/dsgvo-fuer-fotografen/
4. „Wie alle, mir z.T. im Detail bekannten, ernsten Untersuchungen zeigen, ist das brisante Thema Phädophilie längst der normalen Fotografie entwachsen und bastelt in großem Stil und mit AI die erschreckensten Bilder.“
Auch hier: Ich denke, dass das Wissen, dass ein echtes Foto, ein echtes Kind die Vorlage für ein KI-Bild ist, durchaus relevant ist und ein solches KI – Bild interessanter macht, als eines, das völlig frei „erfunden“ wurde. Daher bin ich davon überzeugt, dass die Nachfrage nach echten Kinderfotos durch KI nicht zurückgehen, sondern eher steigen wird – eben weil ich damit so viel machen kann. Zudem entbindet uns diese Entwicklung und das Wissen nicht von unserer Verantwortung für das eigene Handeln.
5. „Wenn ich als professioneller Fotograf nach den offiziellen Richtlinien arbeiten wollte, müsste ich meinen Beruf aufgeben.“
Ich verstehe die Frustration. Viele Regeln wirken schwammig oder schwer umsetzbar – gerade im Reportage- oder Street-Kontext. Aber ich glaube, es geht nicht darum, dass niemand mehr arbeiten soll oder darf. Am Ende geht es weniger darum, ob man alle Regeln perfekt einhalten kann, sondern darum, mit welcher Haltung man arbeitet. Nicht der kleinste rechtlich erlaubte Rahmen sollte Maßstab sein, sondern der bewusste, respektvolle Umgang mit den Menschen, die wir fotografieren – vor allem, wenn sie sich selbst (noch) nicht schützen können. Es geht darum, dass wir uns bewusst machen, wann wir mit unseren Bildern andere – gerade Kinder – in Situationen bringen, die später zum Problem werden könnten und besonders da sollten wir verantwortungsvoll handeln.
Liebe Grüße
Lars