Kinderfotos – zwischen Erinnerung und Verantwortung

von Lars Ihring

Besonders die Ferienzeit bringt unzählige Fotomomente mit sich – vor allem dann, wenn Kinder unbeschwert spielen, lachen, toben oder Neues entdecken. Ich kenne das gut, denn ich habe selbst einen Sohn. Und ja, ich halte viele dieser kleinen Momente mit der Kamera fest – weil ich weiß, wie schnell sie vergehen.

Was ich heute fotografiere, wird irgendwann ein Stück seiner Kindheit sein. Für ihn, für uns als Familie, für später. Doch genau deshalb mache ich mir auch Gedanken: Was mache ich mit diesen Fotos? Und: Wo ist die Grenze zwischen schöner Erinnerung und öffentlicher Zurschaustellung?

Zum Start der Ferien haben mehrere Organisationen – klicksafe, SCHAU HIN!, Gutes Aufwachsen mit Medien, die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) – eine gemeinsame Aktion gestartet. Sie rufen dazu auf, beim Teilen von Kinderfotos im Netz bewusster hinzusehen. Ich finde: zurecht und möchte diese Aktion unterstützen.

Warum wir Kinderfotos machen

Wir lieben es, unseren Sohn zu fotografieren. Nicht weil wir perfekte Fotos brauchen – sondern weil wir Erinnerungen festhalten wollen: seinen Blick, wenn er sich konzentriert; das Chaos nach dem Eisessen; der Moment, in dem er etwas Neues lernt. Diese Fotos erzählen, wie er groß wird. Und sie erzählen auch etwas über uns als Familie, als Eltern.

Solche Fotos haben für uns einen enormen Wert. Sie sind Teil unserer Familiengeschichte. Und wir haben eine gemeinsame Regel: Fotos unseres Kindes kommen nicht ins Internet.

Ja, es gibt in bestimmten Situationen Ausnahmen, doch überlegen wir bei jeder Veröffentlichung:

  • Muss das ins Netz?
  • Ist das nur für uns – oder auch für andere?
  • Ist er erkennbar?
  • Geht es um die Situation oder ihn als Motiv, als Person?
  • Kann unser Kind in ein paar Jahren noch zu diesem Foto stehen? 

Was passieren kann, wenn man nicht aufpasst

Man denkt oft: „Das ist doch nur ein harmloses Foto.“ Aber was harmlos gemeint ist, kann anders ausgelegt oder sogar missbraucht werden. Es gibt Plattformen, auf denen Kinderfotos gesammelt, sexualisiert oder aus dem Zusammenhang gerissen werden. Das klingt drastisch – ist aber Realität. Auch die Medienkompetenz-Initiativen warnen inzwischen deutlich davor.

Und es geht nicht nur um Kriminalität. Es reicht, wenn unser Sohn später online ein Foto findet, auf dem er sich lächerlich fühlt. Unvorteilhafte oder peinliche Fotos, die einmal online sind, lassen sich kaum noch einfangen – und können schnell Auslöser für Hänseleien oder sogar gezieltes Mobbing in der Schule oder im Freundeskreis werden. Kinder haben in solchen Fällen kaum eine Chance, ihr digitales Abbild selbst zu kontrollieren, wenn wir als Eltern unbedacht handeln. Genau deshalb braucht es ein Bewusstsein dafür, was wir zeigen – und was besser privat bleibt.

Neue Risiken durch KI und Bildmanipulation

Dazu kommt: Die Technik entwickelt sich rasant. Künstliche Intelligenz, Deepfakes und Face-Swapping machen es möglich, aus echten Kinderfotos täuschend echte Fake-Bilder oder Videos zu erzeugen. Selbst harmlose Aufnahmen können plötzlich in einem völlig falschen Kontext auftauchen.

Das macht uns als Eltern und Fotografen doppelt bewusst, wie vorsichtig wir mit solchen Fotos umgehen müssen. Was wir heute als private Erinnerung aufnehmen, kann morgen von anderen missbraucht oder manipuliert werden – ohne unser Wissen, ohne unser Zutun.

Das sollte man sich zur Regel machen

Die Einstellung „Keine Kinderfotos im Internet“ ist drastisch, aber die Privatsphäre eines Kindes sollte respektiert werden.

Natürlich muss nicht jede Familie diesen Weg gehen. Wer sich bewusst dafür entscheidet, Kinderfotos zu veröffentlichen, sollte dabei zumindest einige klare Grundsätze haben. Diese einfachen Fragen und Regeln helfen, sensibel und verantwortungsvoll mit dem Thema umzugehen:

  • Würde (m)ein Kind dieses Foto auch in zehn Jahren noch gut finden?

  • Zeigt das Foto (m)ein Kind in einer Situation, die verletzlich, peinlich oder entwürdigend wirken könnte?

  • Ist das Foto wirklich für die Öffentlichkeit bestimmt – oder reicht es, wenn es im Familienalbum bleibt?

  • Habe ich das Kind (je nach Alter) um Erlaubnis gefragt – und auch die Zustimmung der Eltern eingeholt, wenn es nicht mein eigenes ist?

  • Behandle ich das Kind nicht nur als Motiv, sondern mit dem Respekt einer eigenen Persönlichkeit?

Diese Fragen sind kein Aufwand – aber sie machen den entscheidenden Unterschied zwischen unbedachter Veröffentlichung und bewusstem Umgang mit einem sensiblen Thema.

Warum Kinderfotos trotzdem wichtig sind

Trotz aller Vorsicht: Ich finde, wir sollten Kinderfotos nicht verteufeln. Sie sind wichtig. Sie erzählen, wer wir sind, wo wir herkommen, wie wir als Familien leben. Und sie helfen unseren Kindern, ihre eigene Geschichte zu verstehen.

Gerade die ungestellten, ehrlichen Aufnahmen sind es, die später wirklich zählen. Aber genau deshalb verdienen sie auch Respekt. Fotografieren heißt nicht nur, einen Moment festzuhalten – sondern Verantwortung zu übernehmen für das, was aus diesem Moment wird.

Ich hoffe, dieser Text regt zum Nachdenken an – nicht als Warnung, sondern als Einladung zum bewussteren Umgang. Vielleicht habt ihr ja auch eigene Gedanken oder Erfahrungen dazu? Ich freue mich, wenn ihr sie teilt.

Liebe Grüße,
Lars

1 Comment
26. Juni 2025

Das Thema und die Aufrufe zu sorgfältigerem Umgang mit Kinderfotos sind so wichtig, wie unstrittig!
Ungeachtet dessen erheben sich für tausende Fotografen einige unlösbare Fragen:
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Wie sollen sie (sollen Eltern) wissen, ob der/die Dreijährige sich mit 13 oder 15 noch „gut findet“.
Im Vorbehalt eines sich bis dahin 3x ändernden Mainstream-Geschmacks?
Im Vorbehalt, das sich bis dahin Techniken ebenso geändert haben, wie das „Posting“-Verhalten der Jugendlichen selbst?
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Wie fragt man Eltern, die kaum Deutsch sprechen und/oder die Problematik überhaupt nicht einschätzen können, weil in ihrem Kulturkreis das Thema Kinderfoto überhaupt keine problematische Rolle spielt? Schriftlich? In Landesprache per Formulare? Alles Unsinn, ich weiß. Aber ich schreibe jedoch hier aus Erfahrung vieler professioneller Kollegen.
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Streetfotografie / Reportagefotografie: Wie holt man sich Genehmigungen von 16 jährigen oder deren Eltern, die (bis man sie fragen kann) längst aus der Szene verschwunden sind?
Ganz abgesehen davon, dass eine mündliche Genehmigung im Ernstfall überhaupt nichts wert ist, weil sie locker abgestritten werden kann?
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Wie alle, mir z.T. im Detail bekannten, ernsten Untersuchungen zeigen, ist das brisante Thema Phädophilie längst der normalen Fotografie entwachsen und bastelt in großem Stil und mit AI die erschreckensten Bilder.
Hierzu reicht als Rohmaterial schon ein ganz normales offizielles Schulklassenfoto, das in der Schulwebseite auftaucht, oder ein UNICEF-Hochglanzfoto von badenden Kindern irgendwo aus Afrika.
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Fazit:
„Wenn ich als professionell und im Auftrag agierender Reporter und dokumentierender Photograph nach den offiziellen Richtlinien „sauber“ arbeiten wollte, könnte ich meinen Beruf aufgeben.“ Aussage eines sehr bekannten und vielfach ausgezeichneten Kollegen.
Ich würde mir wünschen, klare und realitätsgerechte(!) Rahmen vorzufinden anstatt als Fotografen mit schwammigen Forderungen („holen Sie die Genehmigung ein“) auf ein Glatteis geführt zu werden, das jeder beliebige Abmahnfreund zum Geldverdienen einsetzen kann.
Es reicht schon, dass ich theoretisch abkassiert werden kann, wenn ich den Eifelturm fotografiere …

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