Von Lars Ihring
In unserer aktuellen Podcastfolge #384 von „Zwischen Blende und Zeit“ haben Michael und ich über eine dieser Fragen gesprochen, die so harmlos daherkommen – und sich dann still und heimlich im Kopf festsetzen:
Was ist eigentlich die wichtigste Frage in der Fotografie?
Wir haben – natürlich – keine endgültige Antwort gefunden. Stattdessen viele mögliche: Technik, Emotion, Ausdruck, Entwicklung oder Resonanz. Es war eines dieser Gespräche, bei denen schnell klar wird: Fotografie ist nicht nur Handwerk. Sie ist auch Haltung, Spiegel und Suche.
Und irgendwann, nach der Aufnahme, kam mir eine Frage in den Sinn, die noch näher an meinem persönlichen Erleben liegt. Eine, die ich mir selbst nicht oft genug stelle – und die vielleicht noch mehr über Fotografie sagt als jede technische Diskussion:
Was wünsche ich mir eigentlich, wenn ich ein Bild zeige?
Will ich hören, was ich besser machen kann? Oder wünsche ich mir, dass jemand spürt, was ich mit dem Bild ausdrücken wollte?

Ich fotografiere seit über 30 Jahren. Und ja – ich mag es, wenn Dinge technisch stimmig sind. Wenn das Licht sitzt, die Linienführung klar ist, der Moment präzise eingefangen wurde. Ich habe diese kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit Bildern selbst immer angeregt und gefördert – in Diskussionen, in Workshops, in Podcastfolgen. Ich war überzeugt – und bin es in Teilen auch heute noch –, dass fundierte Rückmeldung ein zentraler Teil fotografischer Entwicklung ist.
Aber ich merke zunehmend, das ist nur die halbe Wahrheit.
Es gibt Bilder, die laden nicht zur Optimierung ein, sondern zum Nachspüren. Und manchmal ist die spannendere Frage nicht: Was hätte der andere besser machen können oder müssen? Sondern: Was macht dieses Bild mit mir?

Je länger ich fotografierte, desto mehr spürte ich: Ein Bild, das eine Reaktion auslöst – eine Erinnerung, ein Gefühl, ein kurzer innerer Widerstand – blieb oft länger im Kopf als eines, das perfekt durchkomponiert ist. Und eine ehrliche, emotionale Rückmeldung hat mehr Tiefe als das Abarbeiten einer Checkliste technischer Parameter.
Wenn ich – im Gegensatz zu früher – jetzt ein Bild teile, wünsche ich mir heute nicht zwingend einen Verbesserungsvorschlag. Ich wünsche mir eher ein Gefühl zurück. Ein kurzes Innehalten beim Gegenüber. Einen Blick, der hängen bleibt. Vielleicht ein Satz wie: „Das hat mich berührt.“ Oder einfach nur: „Ich weiß, was du meinst.“ oder „Das erinnert mich an … / Lässt mich an … denken.“.
Wenn dann stattdessen kommt: „Der Horizont kippt.“ Oder: „Die Farben wirken künstlich.“ – dann trifft das zwar nicht meinen Stolz, aber es verfehlt den Kern. Es geht vorbei an dem, worum es mir ging. Und genau dort beginnt, glaube ich, ein stilles Missverstehen, das viele kennen und das viele Konflikte im Miteinander auslöst.

Wir gehen oft davon aus, dass Bilder, die öffentlich gezeigt werden, automatisch bewertet werden sollen. Und viele wollen das ja auch. Ich selbst – oft. Aber inzwischen eben immer seltener. Nicht jedes Bild ist ein Aufruf zur Optimierung. Manche wollen einfach nur stehen dürfen, wollen Raum bekommen.
So stehen am Ende jeder Veröffentlichung verschiedenste Erwartungen gegenüber und ich glaube, dass in dieser unklaren Erwartungshaltung viel Frust entsteht. Der eine möchte gesehen werden. Der andere will helfen. Der eine will zeigen, wie es in ihm aussieht. Der andere will zeigen, was er kann und weiß. Und beide sprechen eine andere Sprache, ohne es zu merken.
Ich nehme mich da nicht aus. Wenn ich durch Galerien oder Fotolisten scrolle, sehe ich Dinge, die ich anders gemacht hätte. Und oft ist mein erster Impuls: „Sag es! Gib einen Hinweis. Hilf! Gib einen Tipp!“. Aber wenn ich mir kurz Zeit nehme und frage: Wofür wurde dieses Bild gemacht? Was will es mir sagen? – verändert sich etwas. Mein Blick auf das Foto, der Ton meiner Anmerkung und vor allem der Inhalt dieser.
Denn Feedback ist keine neutrale Information. Es ist immer auch eine Art Beziehung, es ist Kommunikation. Passendes Feedback fordert Aufmerksamkeit und eben manchmal auch Zurückhaltung.

Vielleicht liegt in dieser Selbstreflexion eine Chance.
- Warum fotografiere ich eigentlich?
- Was treibt mich an?
- Was suche ich?
Für mich ist es eine Mischung: Die Freude am Sehen. Der Wunsch, mich mitzuteilen. Das Staunen über Licht. Das Bedürfnis, etwas Eigenes zu schaffen. Und ja – auch das Bedürfnis nach Resonanz.
Aber nicht jede Rückmeldung muss mir sagen, wie ich „besser“ werde. Manchmal reicht ein echtes: „Danke, dass Du das gezeigt hast.“ Das zu erkennen, war eine lange Entwicklung. Vielleicht sogar die, die am meisten trägt.

Ich frage mich, ob wir nicht einfach stärker darauf achten sollten, klarer zu kommunizieren, was wir uns wünschen. Ein kleiner Satz in der Bildbeschreibung: „Feedback zur Technik willkommen.“ Oder: „Was löst das Foto bei Dir aus?“ Keine große Sache – aber eine hilfreiche Orientierung für alle Betrachter und Kommentierenden.
Und vielleicht – noch wichtiger – könnten wir als Kommentierende öfter mal einen Schritt zurückgehen und uns fragen: „Welche Art Feedback ist hier angebracht?“.
Ich glaube, viele Missverständnisse würden sich damit vermeiden lassen. Und aus einem nebeneinander könnten wieder echte Begegnungen entstehen.
Denn wie Michael im Podcast so treffend gesagt hat:
„Die wichtigste Frage in der Fotografie ist die, die Dich selbst weiterbringt.“
Und manchmal ist das eben nicht: Was kann ich besser machen?
Sondern: Warum habe ich das eigentlich fotografiert – und was wünsche ich mir, wenn ich es zeige?
Und jetzt Du.
Mich interessiert, wie Du das siehst:
- Warum fotografierst Du?
- Was erhoffst Du Dir, wenn Du ein Bild zeigst?
- Und wie gehst Du damit um, wenn das Feedback ganz anders ausfällt als das, was Du Dir gewünscht hast?
Schreib es mir gern in die Kommentare. Oder nimm diese Fragen mit in Dein nächstes Foto in der fotocommunity. Vielleicht steckt genau dort schon eine Antwort.
Liebe Grüße
Lars
Moin Lars. Das warum ist einfach. Nur spazieren gehen ist stink langweilig. Punkt 2 ist schwieriger, da fließt Punkt 3 gleich mit hinein. Feedback in jeglicher Art. Ich mag es einfach über Fotos zu sprechen. Ob bei mir oder bei anderen, was will mir der Künstler damit sagen. Wenn jemand mir sagt er mag mein Foto nicht und er kann das begründen, ist das für mich vollkommen in Ordnung. Nur wer andere Meinungen zulässt, erweitert den eigenen Horizont. Ich muss sie nicht übernehmen, es reicht wenn ich mir darüber Gedanken mache. Ich mache noch eine besonderen Unterschied zwischen Foto und Bild. Ein Foto ist erst dann ein Bild wenn es gedruckt ist. Ob im Fotobuch oder als Bild an der Wand hängt. Das ist eigentlich das höchste Lob welches ich vergeben kann, dass würde ich mir an die Wand hängen.
Gruß Andreas