Wir fotografieren die Welt um uns herum
Eine große Anzahl von Fotografen, früher wie heute, beschäftigt sich mit einer naturalistischen Darstellung unserer sichtbaren Welt. Das, was uns umgibt, was man sieht, wird im Foto festgehalten. Egal ob es sich dabei um Mensch, Tier, Natur oder Architektur handelt – alles ist erkennbar und eine mehr oder weniger wirklichkeitsgetreue Abbildung, beziehungsweise Interpretation, der erlebten Realität. Wieso auch nicht? Fotografie ist einfach das ideale Mittel um die Wirklichkeit perfekt darzustellen.
Die Malerei des 20. Jahrhunderts: auf der Suche
Ganz anders sieht es in der Malerei aus: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde für viele Maler die sie umgebene Wirklichkeit immer uninteressanter. Sie suchten nach dem Neuen und fanden das Abstrakte. Bei den Fotografen dieser Zeit blieb bis auf wenigen Ausnahmen erst einmal alles beim alten und das sollte auch noch über viele Jahrzehnte so bleiben. Dabei bietet speziell das Thema »Abstraktion« besonders vielfältige und spannende Möglichkeiten in der fotografischen Darstellung.
Abstraktion = Konzentration auf das Wesentliche durch das Weglassen von Details
Die Abstraktion versucht sich dabei von einer »Gegenständlichkeit« zu lösen und den Dingen so, quasi eine neue »Lebensform« zu ermöglichen. Nicht mehr das fotografierte Objekt, in seiner realitätsnahen Darstellung als »Abbild der Wirklichkeit«, ist von Bedeutung, sondern das Ergebnis einer Veränderung ist das Ziel. Etwas vorher Unsichtbares wird dadurch sichtbar gemacht.
In der Kunst soll das Unsichtbare sichtbar werden
Bei der Abstraktion geht es also darum, sich von der Realität zu lösen. Sich dem Spiel der Formen, Farben und Strukturen in einem Bild zu widmen, um so ein neues, ein abstrahierendes Bild zu erzeugen und dadurch etwas vorher so nicht Sichtbares, sichtbar werden zu lassen. Genau das wurde bereits 1920 von Paul Klee formuliert, als er schrieb, dass »in der Kunst Unsichtbares sichtbar werden und nicht das Sichtbare gezeigt werden soll«. Und um genau diese Art des Neu-Sehens, der Neu-Schöpfung – eng verknüpft mit der Kreativität – geht es bei der Abstraktion.
Einzelheiten weglassen!
Die Wirklichkeit durch Auflösung der Dinge im Bild in Frage stellen. Eine Reduzierung aller Darstellungen auf das Wesentliche – wobei das Wesentliche vom Künstler bestimmt wird. Das Weglassen von Einzelheiten im Bild mit dem Wunsch nach Reduktion und ein ästhetischer Ansatz machen die fotografische Abstraktion so überaus spannend und vielschichtig – für den Fotografen ebenso wie für den Betrachter der Bilder. Denn abstrakte Bilder, die auf den ersten Blick kaum einen Bezug zur Realität aufweisen, müssen erst einmal entschlüsselt werden. Dafür ist ein zweiter und dritter Blick erforderlich. Je nach Motiv lassen solche Bilder eigene Gedanken und Assoziationen entstehen, für die der Betrachter abstrakter Bilder sich allerdings auch öffnen muss.
Alles mal auf den Kopf stellen
Übrigens: Eine einfache und besonders effektive Technik um etwas neu zu sehen kann sein es einfach »auf den Kopf zu stellen« und darauf zu achten was sich alles verändert: Das Gegenständliche nimmt dabei ab und unsere Aufmerksamkeit wird verstärkt durch die im Bild vorhandenen Formen, Linien, Strukturen und Farben angezogen.
Robert Mertens befasst sich als Fotograf, Fotokünstler und Referent (u.a. für die Leica Akademie Masterclass) seit vielen Jahren intensiv mit Kreativität, Bildkonzepten und Kompositionen. Seine oft ins Abstrakte gehende Bildsprache ist geprägt durch Reduktion und Einfachheit mit intensiver Konzentration auf Aussage und Wirkung.
An Büchern erschien bislang die zum „Deutschen Fotobuchpreis 2013“ nominierte „Kreative Fotopraxis“ – die 2014 um das Thema „Bildsprache/-gestaltung“ erweitert wird. Neben den Impulsen zum Querdenken, bewussten Sehen und kreativen Fotografieren werden seine Workshops immer wieder durch eine ganz spezielle Annäherung an die Bildbearbeitung ergänzt. Weitere Informationen unter http://www.robertmertens.com
In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auch auf meine Workshops
- ABSTRAKTE FOTOGRAFIE (15.-16.02.) und
- KONSTRUIERTE FOTOGRAFIE (22.-23.03.)
hinweisen, die sich genau mit dieser Thematik beschäftigen. - Hier sind alle Workshop-Termine.
Abstraktion wird häufig missverstanden als Unkenntlichmachung des abgebildeten Gegenstandes. Eigentlich geht es aber um Kenntlichmachung des Wesentlichen durch Weglassen des Unwesentlichen.
Dafür kann selektiv gesetzte Schärfe ein Mittel sein. Völlig unscharfe Bilder sind meist nicht abstrakt in diesem Sinn, sondern impressionistisch.
Manchmal geht es auch gar nicht um Abstraktion als Erkenntnis fördernden Prozess sondern um hübsche Spielerei, was natürlich auch erlaubt ist.
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Klasse, gefällt mir ausgezeichnet,
von Langeweile überhaupt keine Spur
dotty
Huch, was sind denn das für Kommentare?
Wenn ich abstrakte Fotos sehe, dann lasse ich sie auf mich wirken.
Es gibt viele, die mir immer besser gefallen, je länger ich sie anschaue.
Und wenn welche dabei sind, die mich nicht berühren, dann schaue ich mir ein nächstes an.
Interessieren tut mich alles, was mit Fotografie zu tun hat.
Die Frage bleibt: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Kunst hat für mich nicht allein mit „interessant“ zu tun, denn dieses Wort gehört in den Kopf – Kunst hat mit „berühren“ zu tun, und das gehört ins Herz. Egal, ob mit Fotoshop entstanden oder „per Zufall“ ob gewollt oder versehentlich unscharf. Ist das Resultat imstande, Herzen zu berühren, steht sein Wert ausser Frage. Für mich.
Ich stimme Erich Misera zu..aber ich finde,
es ist schon ein Unterschied, ob man erkennen kann
was das Motiv aussagt, oder nicht….
@ markus georg reintgen:
Das ist hier kein Geschichtsunterricht oder wissenschaftlicher Bericht, sondern ein Blog-Beitrag über abstrakte Fotografie. So gesehen reicht »Anfang des 20. Jahrhunderts« als Zeitangabe vollkommen aus! Bleibt noch die Frage: Vor was genau möchtest du denn »den Leser« schützen?
Ich geh dann mal wieder fotografieren…
Viele Grüße aus Karlsruhe,
Robert
„Bei den Fotografen dieser Zeit blieb bis auf wenigen Ausnahmen erst einmal alles beim alten und das sollte auch noch über viele Jahrzehnte so bleiben.“
präzise recherchen könnten den leser vor o.a. behauptungen schützen
Das Ursprungsmotiv ist meistens nicht mehr erkennbar. Damit braucht es kein originelles Foto zu sein.
Die Kunst beginnt nun mit Photoshop. Und damit kann Hr. Mertens bestens umgehen. Nicht Fotokunst, sondern Photoshopkunst.
Wie unterscheide ich nun, ob es gewollte oder nicht gewollte Unschärfe ist?
Dann brauche ich doch nur behaupten, habe lange probiert um diese Unschärfe hinzubekommen. Vielleicht ist es noch ein wenig verwackelt, da sage ich das Gleiche …
Ich habe einige ähnlicher Fotos gemacht, ohne Workshop, vor allem wenn ich unterwegs aus versehen aus den Auslöser gedrückt habe. Weiß klingt gemein … 🙂 Ich habe diese bisher immer gleich gelöscht.
wie sag ich meinem Bauch nur, wie er abstrakt gucken kann, ich bringe es einfach nciht fertig, oder verwerfe das Bild an sich.
feiner Beitrag mit klarer Sprache und verständlichen Bildern.
Danke
@ Renate, diese Sektion habe ich noch nicht angeklickt,
werde ich mir mal anschauen. Aber die Fotos, um die es ging habe ich alle gelöscht.
@Rothkaeppchen23 – Es gibt jede Menge Fotografen hier, die fleißig und mit Begeisterung die Sektion „Unschärfe“ bestücken. Da wird kein Foto zerrissen, im Gegenteil. Aber man muss schon unterscheiden zwischen gewollter Unschärfe als Stilmittel oder Unschärfe, die halt eben so mal entstanden ist, obwohl das Bild eigentlich scharf sein sollte. Schau einfach mal in die Sektion rein. 🙂
Hallo,
diese Art von Fotos werden toleriert, aber wenn mal ein unscharfes Foto etc.
eingestellt wird, wird es sofort zerrissen.
Besonders das zweite und dritte Bild finde ich sehr interessant.