Portfolio: Täglich neu entdeckt (Thierry Patrick Beffort)

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  Mit Blick durch den Sucher seiner Leica Q entflieht Thierry Patrick Beffort täglich für einen Moment der Hektik der großen Welt. Was als spielerischer Zeitvertreib auf seinem Arbeitsweg begann, entwickelte sich für ihn zu einer kreativen Entdeckungsreise durchs spannende Reich der oft unbemerkten Details. [caption id="attachment_669771" align="aligncenter" width="1000"]blattgold Blattgold: Das Bild wurde in der Nacht geschossen. Der Ast mit Blättern stand unter einer Straßenlaterne. Mit Spotmessung habe ich die hellen Blätter angepeilt, sodass alles herum unterbelichtet blieb. Der Titel ist ein Wortspiel.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption] Morgens um halb acht macht sich Thierry Patrick Beffort auf den Weg zu seiner Arbeit in Luxemburg Stadt. Tag für Tag, Jahr für Jahr nimmt er die gleiche Strecke, zu Fuß, zwischendurch mit dem Fahrrad, und immer dabei ist seine Leica Q. [caption id="attachment_669753" align="aligncenter" width="1000"]core-sample Core Sample: Ein Abflussrohr an einer Baustelle. Der Kontrast zwischen Orange und Tiefschwarz hat mich gleich angezogen. Ich entschied mich für eine Spotmessung auf Orange. Nach der Bearbeitung erinnerte mich das Bild spontan an diese Eis- oder Steinbohrkerne, daher lautet auch so der Titel.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption] Der fotocommunity-Fotograf hat es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Tag ein neues Motiv auf diesem selben Weg zu entdecken und auf den Kamera-Chip zu verewigen. Was anfangs ein spielerischer Zeitvertreib war, wurde bald zur kreativen Aufgabe, denn mit Blick durch den Sucher entdeckt er täglich immer wieder neue, unerwartete Details. [caption id="attachment_669757" align="aligncenter" width="1000"]avocados The 20 avocados and the bolt: Eine intuitive Komposition: Von hinten beleuchtetes Aushängeschild einer Anwaltskanzlei aus oxidiertem Eisen/Stahl. Die 20 steht für die Hausnummer.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption]

Vorbereitung

Das Wetter spielt für Thierry Patrick Beffort keine Rolle, auch beim Equipment ist das Wichtigste seine kleine Kompaktkamera, die weit mehr für ihn ist, als eine einfache Knipse: „Ich bin von dieser Kamera begeistert und das ist für mich sehr wichtig. So wie sie sich anfühlt, die Knöpfe und Ringe sich bewegen und einrasten, wie das Metall sich anfühlt.” Damit spüre er das Bedürfnis, mit der Kamera zu „spielen”, die ihn dazu bewege, Bilder zu knipsen. Er resümiert: „Die Kamera ist sozusagen die Hardware, die meine Software, meine Kreativität, zum Laufen bringt.“ [caption id="attachment_669761" align="aligncenter" width="1000"]Eclipse-Unveiled Total Eclipse Unveiled: Schaufensterdeko von einem Kleidergeschäft: Mit Spotmessung habe ich die Birne angepeilt, um das gewünschte Resultat zu erreichen. Eine Sonnenfinsternis im Schaufenster.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption]

Fotoaufnahme

Nicht nur bei den Vorbereitungen, auch beim Fotografieren selbst mag es Thierry Patrick Beffort einfach, spontan und unkompliziert. Daher komme ihm die Festbrennweite der Leica Q entgegen, die ihm zeitraubende Objektivwechsel erspare. Zum anderen kann sich Beffort so auf das Wesentliche beim Fotografieren, das Motiv und die Bildkomposition, konzentrieren. Alle Einstellungen wie Zeit, Blende oder ISO nimmt er intuitiv und „blind” vor, also mit stetem Auge am Sucher, ohne auf das Display und die Knöpfe zu schauen. „Ich bin ständig in Bewegung, ich warte nie auf den richtigen Moment. Entweder er ist da oder nicht”, erzählt er. [caption id="attachment_669767" align="aligncenter" width="1000"]balkanroute Balkanroute: Das Bild entstand in der Zeit, als Ungarn die Grenzen für die Flüchtlinge schloss. In den Nachrichten liefen Bilder von Menschen an Zäunen mit Vorhängeschlössern.[/caption]

Aufnahmeeinstellungen

In der Regel fotografiert Beffort mit einer kleinen Blende 1,7, um ein schönes Bokeh zu erreichen. Blende 16 ist seine Wahl, wenn es um maximale Tiefenschärfe geht. „Es macht mir Spaß, die ISO-Zahl klein zu halten und aus der Hand zu testen, welche Belichtungszeiten noch, und zwar ohne Bildstabilisator und ohne Stativ, drin sind”, berichtet er. Zufrieden ist er, wenn ihm mit 1/8 s Belichtungszeit noch ein scharfes Bild gelungen ist. Überwiegend wählt der Fotograf Spotmessung. Schärfe und Lichtmessung sind aufgeteilt, die Fokusspeicherung liegt auf der Abdrucktaste, die Lichtspeicherung auf einer anderen, frei programmierbaren Fn-Taste seiner Leica Q. „Meine Aufnahmen entstehen in drei Schritten. Dank des elektronischen Suchers kann ich die Belichtung mit Spotmessung nach meinem Geschmack an einem Punkt festhalten, dann den Fokus auf einen anderen Teil stellen, um schließlich die genaue Bildkomposition zu bestimmen und abzudrücken.” [caption id="attachment_669756" align="aligncenter" width="1000"]eichenblatt Eichenblatt à € 5,65: Dies war so ein Tag, an dem es eine Herausforderung war, ein Motiv auf dem Arbeitsweg zu finden. Lieber ein Eichenblatt à 5,65 Euro als eine Schachtel Zigaretten.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption]

Nachbearbeitung

Eine präzise Nacharbeit ist bei Beffort Bestandteil. „Das ist für mich genauso wichtig wie das Fotografieren selbst”, erklärt er. Die Welt so darzustellen, wie sie in Realität ist, interessiere ihn nicht unbedingt. Nach eigenen Worten kann er weder malen noch „schreiben”, sodass die Fotografie und das Bearbeiten der Aufnahmen sein kreatives Bedürfnis befriedigen. Für die individuelle Bearbeitung jedes einzelnen Fotos in Lightroom, und dies ohne Presets, investiert er gerne zwischen 10 bis 60 Minuten. „Ich habe im Lauf der Zeit meinen persönlichen Workflow durch die verschiedenen Module entwickelt, und es macht mir unheimlich Spaß.” Kein Schieber und Regler, an dem Thierry Patrick Beffort nicht zieht, bis ihm das Bild wirklich gefällt. [caption id="attachment_669766" align="aligncenter" width="1000"]feuerwehr Tatütata: Ein Gas-Anschluss, ein Feuerwehrauto und „W“ wie Wasser – alles passt.[/caption] ColorFoto: Wie bist Du zur Fotografie gekommen? Thierry Patrick Beffort: Als Student habe ich Ende der 1980er-Jahre an einem Fotokurs teilgenommen, damals noch analog mit einer Pentax Spiegelreflex K1000. So wie viele aus meiner Generation hatte ich den Übergang zur digitalen Fotografie im Prinzip total verschlafen. Am Anfang war mir die Qualität einfach zu schlecht, dann brauchte man einen PC und Ähnliches. So entwickelte ich erst einmal kein Interesse daran. [caption id="attachment_669770" align="aligncenter" width="1000"]flucht-ist-sinnlos Flucht ist sinnlos: An diesem Tag ließ ich den Kopf hängen anstatt nach Motiven Ausschau zu halten. Gut so. Ich entdeckte diesen Pflasterstein mit natürlicher Quarz?-Intarsie. Ich musste spontan an einen Menschen auf der Flucht denken, was für diesen sinnlos wäre, da ihm das folgende dunkle Pflaster den Weg versperrt.[/caption] ColorFoto: Was macht für Dich die Faszination daran aus? Thierry Patrick Beffort: Die Detailfotografie, und die ist bei mir immer durch den Sucher, gibt mir das Gefühl, für einen Moment unserer hektischen Welt entfliehen zu können, zu entschleunigen. Die Welt beschränkt sich auf einen ganz kleinen Ausschnitt. Man ist mit sich und den paar Zentimetern ganz allein. Oft bringt das Ganze auch unerwartete oder ungewöhnliche Bilder hervor, an die man eigentlich im Vorfeld gar nicht gedacht hatte. [caption id="attachment_669765" align="aligncenter" width="1000"]revolution-by-numbers Revolution by Numbers: Detailaufnahme in einer verlassenen, total mit Graffitis bedeckten Fabrikanlage. Die Farbe zog mich an. Erst am Rechner bemerkte ich, dass die Zahl am Schloss auf etwa 1789 stand, das Jahr der französischen Revolution. Der Titel ist ein Wortspiel: Revolution (1789) und Revolution „drehen, Drehzahlen”.[/caption] ColorFoto: Du bevorzugst Low Key. Zudem finden sich immer wieder goldene oder gelbe Elemente in Deinen Bildern. Was hat es damit auf sich? Thierry Patrick Beffort: Low Key ist kontrastreich und dramatisch, das gefällt mir. Und Gelb/Gold hat für mich eine natürliche Anziehungskraft. Es kontrastiert so wunderbar mit Schwarz. Es sind die Farben des Lichts, der Sonne, der Wärme, und ich assoziiere sie mit Hoffnung und Wonne. [caption id="attachment_669768" align="aligncenter" width="1000"]stabschrecke Stabschrecke: Der Schatten des Drahts erinnert mich an eine Stabschrecke. Es handelt sich um eine Nachtaufnahme, das Licht der Straßenlaterne bringt die Holzstruktur so schön hervor.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption] ColorFoto: Verrätst Du uns ein Lieblingsmotiv? Thierry Patrick Beffort: Ich liebe es, unsere beiden Katzen zu fotografieren. Katzenfotos sind nichts Außergewöhnliches, doch ich denke, meine Faszination daran kommt durch die Verbundenheit mit den Tieren. Aber im Prinzip bin ich an kein Motiv gebunden. Oft ziehen mich Struktur, Form oder Farbe eines Objekts an und animieren mich, es festzuhalten. Ich habe aber keine ästhetischen oder stilistischen Präferenzen. [caption id="attachment_669758" align="aligncenter" width="1000"]fungus-implosion Fungus Implosion: Abgesägte und mit Pilzen befallene Baumstämme im Wald. Licht, Struktur und Muster zogen mich an. Der schwarze Pilz sah aus wie Tinte, ich habe noch nie so etwas gesehen. Mit Vignette habe ich den Rand abgedunkelt, damit die „Implosion” besser zum Ausdruck kommt.[/caption] ColorFoto: Du hast Dich im Jahr 2015 in der fotocommunity registriert. Welchen Einfluss hat die fotocommunity auf Deine Fotografie? Thierry Patrick Beffort: Ein Freund hat mich auf die fotocommunity aufmerksam gemacht. Das Anschauen der Aufnahmen anderer User erweitert den eigenen Horizont und gibt einem natürlich neue Ideen. Wie bei allen Aktivitäten gibt es Höhen und Tiefen, die fotocommunity, durch die Kommentare und Lobe der anderen User, motiviert mich, weiterzumachen und mich zu verbessern, nach dem Motto: Wenn man einen Hund hat, muss man raus, bei jedem Wetter. Bei der fotocommunity ist es ähnlich: Hat man nichts mehr hochzuladen, muss man ebenfalls raus, bei jedem Wetter. [caption id="attachment_669754" align="aligncenter" width="1000"]hard-as-a-rock Hard as a Rock: Beim Erblicken des Tattoo-Studio- Spruchs „hard but fair” auf dieser Laterne an der Steinbrüstung der Brücke fiel mir gleich das Lied von AC /DC „hard as a rock” ein. Beides ist hart.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption] ColorFoto: Hast Du fotografische Vorbilder, und wenn ja welche? Thierry Patrick Beffort: Nick Turpin, Matt Stuart, und natürlich die großen Klassiker: Die Ansel-Adams-Bilder sind ein Traum. [caption id="attachment_669762" align="aligncenter" width="1000"]nobody-home Nobody Home: Keine Klingel? Dann ist wohl auch keiner zu Hause. Weiter Weg von der ehemaligen Klingel zur Haustür rechts hinten. Holz und Stein, nah und weit, scharf und unscharf.[/caption] ColorFoto: Was macht für Dich Deine persönliche Handschrift aus? Thierry Patrick Beffort: Ich weiß nicht, ob ich eine persönliche Handschrift habe, da ich das Bedürfnis habe, immer etwas Neues und anderes auszuprobieren. Sobald ich etwas „kann”oder „beherrsche”, langweilt es mich, so dass ich mich etwas Anderem zuwende. [caption id="attachment_669769" align="aligncenter" width="1000"]underground Underground: Es handelt sich hier um eine sehr starke Lampe für die Nachtbelichtung der Kathedrale in Luxemburg Stadt. Auch hier habe ich wieder Spotmessung gewählt. Zum Schutz vor der Hitze wurde ein Gitter angebracht. Das Bild erinnert mich an eine in der Nacht vorbeifahrende U-Bahn.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption] Thierry Patrick Beffort wohnhaft in Luxembourg, Hobbyfotograf, der sich auf Details spezialisiert hat. „Einige richtige Fotografen bezeichnen meine Art der Fotografie als minderwertig oder unecht. Ich denke, es gibt keine richtige oder falsche Fotografie. Fotografie hat viele Facetten, genauso wie Malerei und Musik diverse Richtungen haben. [caption id="attachment_669760" align="aligncenter" width="1000"]omelette Fall Omelette: Zuerst fiel mir das Ei mit Schale auf dem Bürgersteig auf, schön frisch und gelb, nichts Alltägliches. Dann sah ich das Blatt und erkannte das Ganze als Bild, als hätte ein unbekannter Künstler dieses „Herbstomelett” für mich komponiert.
Fotograf: Thierry Patrick Beffort[/caption]

Ausstattung

  • Kamera: Leica Q
  • Objektiv: Summilux 1,7/28 mm ASPH
  • Zubehör: Graufilter und Stativ (gelegentlich)
Redaktion Sabine Schneider]]>

5 Comments:
4. Juni 2017

Beffort hat eine durchaus gute Einstellung zur Fotografie. Besonders gefällt es mir, daß er hier den Berufsfotografen , bei seinem Bild von ihm, widerspricht. Man sollte als „Freizeit-Fotograf“ seine eigene Art der Fotografie haben. Berufsfotografen sind eben sehr oft an ihre Auftragsgeber gebunden.
Diese hier gezeigten Fotos sind m.E. große Klasse.
Viele Grüße Peter

1. Juni 2017

Gut, das es hier noch solche „Nischenfotografen“ gibt. Hat mich angesprochen.

„Einige richtige Fotografen bezeichnen meine Art der Fotografie als minderwertig oder unecht“.

Das Problem löst sich meistens von selbst, da die Verweildauer von diesen „Profis“ doch eher kurz ist.

31. Mai 2017

Sehr interessant deine Herangehensweise. Die Faszination an Details kann ich gut nachvollziehen, da ich selbst gerade auf einem „Makrotrip“ bin, allerdings unter Wasser. Und was da manchmal zum Vorschein kommt ist absolut faszinierend. Obwohl du selbst meinst, keinen eigenen Stil zu haben, erkenne ich in deinen Bildern sehr wohl einen Stil. Mach weiter so, es sind tolle Fotos.
Gruß
Detlev

31. Mai 2017

…kleine dinge erzählen oft grosse geschichten ****
allerdings muss man als betrachter, sich darauf einlassen !
bg f.

31. Mai 2017

Echt interessante Fotos! Vor ca. 2 Wochen habe ich es auch mal wieder mit der Street Fotografie versucht.
Ich denke es ist mal ein ganz anderes Gefühl, wenn man mit offenen Augen durch die Straßen läuft. So entdeckt man plötzlich Details, die einem davor nie aufgefallen sind. Das ist echt super spannend.
(Hier ein paar Street-Fotos: http://test-systemkamera.de)

Viele Grüße
Julia

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