Sonnenaufgang in Calgary

DESTINATION: Kanada – Tag 2

Der nächste Morgen beginnt mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Direkt vor unserem Hotel erstreckt sich eine dieser klassischen nordamerikanischen Straßen – kilometerweit ohne die kleinste Biegung. Ein perfektes Motiv, wenn die Sonne zwischen den Häuserschluchten aufgeht. Und wieder zeigt sich: Calgary wirkt erstaunlich leer. Für uns Deutsche, die den Trubel einer Großstadt gewohnt sind, fast schon ausgestorben. Um 7 Uhr morgens könnte ich in Köln unmöglich mitten auf einer Hauptstraße fotografieren. Für die Schönheit der Stadt haben wir im Moment allerdings kaum den Kopf frei. Wie schon am Vorabend besitzen wir immer noch keine frische Kleidung oder Wäsche. Die Fluglinie hält sich mit Informationen sehr zurück. Wir wissen weder, wie es weitergeht, noch wann – oder ob überhaupt – wir unser Gepäck zurückbekommen. Trotzdem bleiben wir optimistisch. Wir gehen davon aus, dass es sich nur noch um Stunden handelt und die Koffer hoffentlich im Laufe des Tages zugestellt werden.  
Mit den gleichen Klamotten wie aus dem Flieger beginnt also unser Tag. Ein wenig Deo versucht, die Spuren von fast 36 Stunden Reisezeit zu übertünchen.

Calgary – der Heritage Park

Aber irgendwie muss es ja weitergehen – und so steigen wir gut gelaunt in das Shuttle zur ersten Location ein. Während unserer Zeit in Calgary hatten wir weder einen eigenen Wagen noch ein anderes Fortbewegungsmittel zur Verfügung.

Unser erster Stopp: der Heritage Park. Ob man ihn nun als Museum oder als Freizeitpark bezeichnet, darüber lässt sich sicher streiten. Für mich persönlich überwiegt jedoch der Museumscharakter – schließlich wird hier so viel Geschichte und Vergangenheit Kanadas vermittelt, dass der Unterhaltungsfaktor dem in keiner Weise widerspricht. Im Gegenteil: Nur weil Lernen hier auch Spaß macht, wird es nicht weniger wertvoll.

Oh, und auf dem obigen Bild sieht man übrigens einen alten LKW für den Sprittransport. Die Ölfirma Shell betrieb schon früh in Nordamerika eigene Tankstellen. Mit unseren vollgepackten Fotorucksäcken ging es für uns anschließend direkt vom PKW-Museum auf einen offenen Pritschenwagen – einmal quer durch den Park.

Heute hatten wir übrigens das Glück, gleich zwei persönliche Guides an unserer Seite zu haben. Sie standen uns Rede und Antwort und versuchten, uns so viele Informationen wie möglich mitzugeben.
Ein Beispiel dafür ist das Prince House. Der Name „Prince“ hat nichts mit dem Commonwealth oder einem Thronfolger zu tun – es handelt sich schlicht um den Nachnamen eines der reichsten Männer der damaligen Zeit in Calgary. Nach ihm wurde auch eine kleine, aber sehr bedeutsame Insel mitten im Fluss benannt. Prince verdiente sein Vermögen mit einem Sägewerk sowie dem Vertrieb und Verkauf von Holz. So konnte er sich ein eigenes Steinhaus leisten – zu jener Zeit eine absolute Besonderheit, da fast alle Menschen in Holzhäusern lebten. Stein war schlicht viel zu teuer.

Wir werden in unserer Folge natürlich noch ausführlicher über den Heritage Park berichten. An dieser Stelle aber so viel: Der gesamte Park ist darauf ausgelegt, die jeweilige Zeit möglichst originalgetreu zu repräsentieren.
Man muss sich das so vorstellen: Auf dem gesamten Gelände sind verschiedene Attraktionen und „lebendige Museen“ aufgebaut, die jeweils einer bestimmten Epoche angehören. Die Mitarbeiter tragen nicht nur die passende Kleidung, sondern verhalten sich auch so, wie es damals üblich war. Besucher treten also direkt in die Interaktion mit einer Art Schauspieler und erleben dadurch Geschichte in einer absolut authentischen Kulisse.
Das Spektrum reicht von Bäckereien über Schulen bis hin zu kleinen Krämerläden.

Interessant am Park ist auch seine Lage: Nur rund 15 Fahrminuten von der Innenstadt Calgarys entfernt, bietet er selbst einen atemberaubenden Blick auf die Skyline. Im Vordergrund liegt ein See, der als Trinkwasserreservoir der Stadt dient. Motorisierte Boote sind hier strikt verboten – erlaubt sind ausschließlich handbetriebene kleine Boote oder Flöße.

Besonders beeindruckt hat mich der Besuch eines historischen Zugwagens aus jener Zeit. Zugegeben, uns wurde gesagt, dass er etwas luxuriöser ausgestattet sei, als es um 1900 tatsächlich der Fall war. Doch allein die Tatsache, dass es sich um einen originalen nordamerikanischen Wagen handelte, ließ mich sehr gut nachempfinden, wie es damals gewesen sein muss, in ein neues Land einzuwandern. Die Eisenbahn war ein gewaltiger Motor für die Immigration.

Ein kleines Juwel an Authentizität war übrigens unser Kutscher – ein waschechter Cowboy, der ein wahres Sammelsurium an spannenden Geschichten und charmanten Anekdoten mitbrachte.

Ein bisschen verrückt war es schon – sonst hätte er wohl kaum einfach Sara mit auf den Kutschbock genommen. Doch keine Sorge: Die Pferde und auch die beiden Kutschfahrer haben das Abenteuer unbeschadet überstanden.

Auf dem nachfolgenden Bild sieht man drei Mitarbeiter des Parks in perfekt inszenierten Kostümen ihrer jeweiligen Epoche – in diesem Fall waren es sogar unsere Guides. Man spürte bei jedem ihrer Worte und Gesten, dass sie mit voller Leidenschaft dabei waren. Schließlich geht es hier um Bildung, um die Weitergabe von Wissen und um die Geschichte Kanadas. Und genau das haben alle drei sehr ernst genommen.

Der Heritage Park hatte noch weitaus mehr zu bieten – die meisten Eindrücke und Informationen dazu werden jedoch in der eigentlichen DESTINATION-Folge zu sehen sein.
Nach fast fünf Stunden mussten wir uns schließlich losreißen und weiterziehen. Unser nächstes Ziel: eine Manufaktur für Cowboyboots, die Alberta Boot Company. Dort bekamen wir einen Blick hinter die Kulissen und konnten miterleben, wie ein echter Cowboystiefel entsteht – ein Prozess, der erstaunlich viel Handarbeit erfordert, das kann ich an dieser Stelle schon verraten.

Kommen wir zu einer der eher unangenehmen Situationen des Tages: Müde, verschwitzt und alles andere als frisch fanden wir uns in einem Fünf-Sterne-Hotel wieder – um dort von einem renommierten Chefkoch klassisches Alberta Food serviert zu bekommen. Der besondere Clou: Es blieb nicht beim reinen Genießen. Stattdessen wurde für uns eine Art Kochkurs veranstaltet, der eindrucksvoll zeigte, wie man mit einfachen Mitteln kanadische Gerichte zaubern kann. Garniert mit spannenden Geschichten über die Entstehung traditioneller Speisen verflog die Zeit wie im Flug.

Im Anschluss setzte sich unsere Food Tour durch Calgary fort und führte uns in ein kleines, charmantes Familienrestaurant. Natürlich wurde auch dort alles gefilmt und fotografiert – für die eigentliche DESTINATION-Folge festgehalten und konserviert.

Der Tag in Calgary führte uns anschließend in eine Schokoladenmanufaktur, die für ihren weltberühmten Pralinenguss bekannt ist. Auch davon durften wir kosten – ein echtes Erlebnis. Unser persönliches Highlight war jedoch ein süß-salziger Eissnack, der uns noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Eiscreme, mit Cookie, garniert mit einem weißen Schokoladenhut, wobei der eigentliche Kniff angegebratener Speck war. Eine sehr verrückte Kombination aber durchaus lecker.

Zu dieser Zeit neigte sich der Tag langsam dem Ende zu, die Sonne stand bereits tief, und wir hatten schon über 17.000 Schritte auf dem Zähler. Doch das war uns nicht genug. Also machten wir uns – selbstverständlich zu Fuß – weiter auf den Weg, um einige architektonische Besonderheiten der Stadt einzufangen. Dafür mussten wir noch einmal etliche tausend Schritte durch die Straßen von Calgary zurücklegen. Aber ich muss sagen: Es hat sich gelohnt.

Beendet haben wir den Tag mal wieder hoch oben – im 40. Stock. Naja, vielleicht war es nicht exakt der 40., sondern eher der 35. oder 48. Stock. Aber hoch war es auf jeden Fall.
Man könnte jetzt denken: Wow, was für ein Leben. Doch ich kann garantieren, dass nach einem solchen Flug-Martyrium und 23.000 Schritten zu Fuß der Kopf kaum noch klar genug ist, um das Essen überhaupt in den Mund zu bekommen. Und trotzdem halten wir unterwegs ständig an, um das ein oder andere Foto zu machen. Am Ende sind die Aufnahmen aus Calgary dadurch viel besonderer und außergewöhnlicher geworden, als wir es anfangs erwartet hätten.

So neigte sich auch Tag zwei dem Ende zu. Wenigstens konnten wir im Hotel eine Dusche nehmen – nur um danach wieder in die gleichen Kleidungsstücke zu schlüpfen wie zuvor. Denn, wer hätte es gedacht: Von der Fluggesellschaft kam keinerlei Information und von Gepäcklieferung war ebenfalls keine Spur. Wir standen also mit genauso wenigen Sachen da wie am Vortag. An Ausrüstung hatten wir ohnehin nur das dabei, was im Handgepäck Platz gefunden hatte.

Aber eines haben wir genug: Optimismus. Die Koffer werden bestimmt morgen kommen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Share
Pin
WhatsApp
Email