Portfolio: Mensch im Porträt (Frank Gustrau)

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  Die Bilder von Phofragus (Frank Gustrau) haben eines gemeinsam: Sie wirken emotional, lebendig und echt. Mit Fingerspitzengefühl fokussiert der fotocommunity-Fotograf ganz bewusst auf das Thema „Mensch“. Eine fotografische Annäherung an Lebensfreude und Glück, Verletzlichkeit und Ohnmacht. [caption id="attachment_669028" align="aligncenter" width="1000"]Spiegel – Frank Gustrau Spiegel – Ort: Dachboden in einer ehemaligen Kornbrennerei in Castrop-Rauxel; Bildidee: Schärfe nicht auf dem Gesicht und Einbau irritierender Elemente (Spiegelinhalt passt nicht zu dem, was vor dem Spiegel stattfindet). Im Post-Processing kamen dann die Wasserwellen als Idee auf.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption] Das Wichtigste für Frank Gustrau ist eine gute Bildidee. Bei klassischen Porträts hat er zumeist viele Bilder aus der Presse und den Fotoforen im Hinterkopf. Für eher experimentelle Arbeiten hingegen holt er sich Anregungen auf Foto- und Kunstausstellungen oder im Internet. Stets aber geht es dem fotocommunity-Fotografen um eine möglichst gefällige Darstellung. Das Model soll vorteilhaft abgelichtet werden, zugleich aber vor allem Authentizität ausdrücken. „Stimmungen sind mir ganz wichtig“, erklärt Gustrau. Er meint etwa Lebensfreude, die durch Lachen oder den Blick in die Kamera ausgedrückt werden. Oder Nachdenklichkeit, wie sie ein gesenkter Kopf oder abgewandter Blick assoziieren lässt. [caption id="attachment_669029" align="aligncenter" width="1000"]Auf dem Dachboden Auf dem Dachboden – Ort: Dachboden in einer ehemaligen Kornbrennerei in Castrop-Rauxel; Bildidee: Fokus auf dem Rücken und nicht auf dem Gesicht, um Fragen beim Betrachter aufzuwerfen und den Bereich klassischer Porträts zu verlassen.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Vorbereitung des Shootings

Das passende Model findet Frank Gustrau in seinem eigenen und erweiterten Bekanntenkreis. Bislang, denn um sein Portfolio bunter zu gestalten, plant er, künftig Modelle auch über Modelagenturen zu gewinnen. Hat er das passende Model gefunden, fehlt noch die Location und die richtige Kleidung. Falls ihm der angedachte Ort noch unbekannt ist, sichtet Gustrau diesen vorab, um sich einerseits ortskundig zu machen und zudem ein paar Testaufnahmen zu schießen. Oft werden im Vorfeld des Treffens zwischen Model und Fotograf auch Bilder ausgetauscht, um dem anderen deutlich zu machen, was sich beide ungefähr vorgestellt hatten. Meist gibt es drei oder vier konkrete Ideen, ansonsten wird beim Shooting selbst auf beiden Seiten viel improvisiert. „Ein gelungenes Bild ist am Ende ein Geschenk in beide Richtungen, also vom Fotograf zum Model und zurück“, resümiert Gustrau. [caption id="attachment_669030" align="aligncenter" width="1000"]Auf der Brücke Auf der Brücke – Ort: Wald in Duisburg; eigentlich ging es darum die Herbststimmung einzufangen, daher waren wir am späten Nachmittag dort. Beim Post-Processing hat sich jedoch die Schwarzweißumsetzung als wirkungsvollste Variante herausgestellt.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Die passende Ausrüstung

Steht die Idee, dient die Technik der konkreten Umsetzung, die bestenfalls vor Ort intuitiv und schnell griffbereit sein will. Bei Outdoor-Aufnahmen genügen Gustrau seine beiden vollformatigen Sony-Kameras, drei Objektive ein Blitz sowie ein Reflektor. Das Wichtigste am Gepäck ist, dass er sich vor Ort damit noch gut und unbeschwert bewegen kann. Bei Aufnahmen in einem Dortmunder Mietstudio packt er zudem noch die eigene Beleuchtungseinrichtung ein. [caption id="attachment_669032" align="aligncenter" width="747"]Waiting Waiting – Ort: Studio in Dortmund mit Mauerwerk. Bildidee: Verhalten erotische Darstellung und ungewöhnliche Lichtverhältnisse: Hier Camping-LED-Lampen auf dem Boden. – Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Das Shooting

In einer ersten Phase geht es Gustrau ums „Aufwärmen“: Er fertigt Testbilder an und bewertet diese. „Das Model kann so gleich sehen, wie es auf den Bildern wirkt und ob Mimik, Haare und Kleidung die gewünschte Bildwirkung entfalten“, erklärt Gustrau. Es werden gegebenenfalls Korrekturen vorgenommen und die Lichtführung verbessert. Erst in der zweiten Phase des Shootings wird intensiv an der Umsetzung der Bildidee gearbeitet. Angenehm für den Fotografen ist es, wenn das Model von sich aus passende Posen anbietet und der Fotograf sich um Licht oder das Einbeziehen der Umgebung kümmern kann. Model und Fotograf beurteilen zwischendurch immer wieder die Ergebnisse und arbeiten an einer Verbesserung der Bildwirkung. Oft sind störende Bilddetails vorhanden, die sich vor Ort durch Umarrangieren leicht ordnen lassen. Zu guter Letzt nutzt Gustrau die verbleibende Zeit, um ungezwungen noch ein paar experimentelle Dinge zu testen. „Vielleicht auch, um Ideen für die Zukunft zu haben.“ [caption id="attachment_669036" align="aligncenter" width="683"] Auf der Treppe – Ort: Treppenhaus in einem privaten Wohnhaus mit natürlichem weichen Licht. Bildidee: ruhiges, verträumtes Porträt. – Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Aufnahmetechnik

Da Frank Gustrau die Blende als Gestaltungselement zur Reduktion der Tiefenschärfe gern voreinstellt, fotografiert er überwiegend im Automatik-Modus und nur ganz selten, etwa bei schwierigen Lichtverhältnissen, im manuellen Modus. Sollte aufgrund von Bewegung eine andere Verschlusszeit notwendig sein, wechselt er zur Blendenautomatik, wählt die Zeit selbst vor und nutzt an seiner Sony-Kamera gegebenenfalls die Belichtungskorrektur mit Vorschaufunktion. [caption id="attachment_669037" align="aligncenter" width="731"]Flamenco Flamenco – Ort: Studio in Dortmund mit schwarzem Hintergrund. Composing mit montiertem Hintergrund aus einem anderen Foto. Bildidee: Einfangen von Flamenco-Tanzszenen.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Bildkomposition und -gestaltung

Zum Fokussieren verwendet der Fotograf in der Regel denmittleren Autofokussensor und legt den Bildausschnitt (focus and recompose) fest. Oftmals landet so mehr Umgebung auf dem Bild als gewollt, sodass er den passenden Ausschnitt erst später am PC wählt. Bei Porträts funktioniert das Freistellen des Models vor dem Hintergrund durch eine reduzierte Tiefenschärfe meist gut. „Über geeignete Hintergründe kann dann noch Tiefe ins Bild gebracht werden oder aber auch der Raum bewusst abgeschlossen werden“, erklärt Gustrau. [caption id="attachment_669038" align="aligncenter" width="1000"]Herbst Herbst – Ort: Wald in Duisburg; hier wurden mehrere Bilder zusammengefügt, um einen gleichmäßigen Blätterregen zu erhalten. Die Blätter wurden von einer dritten Person geworfen. Bildidee: das Einfangen einer herbstlichen Stimmung, hier: warme Farben kurz vor Sonnenuntergang.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Nachbearbeitung

Insgesamt bestimmt die Nachbearbeitung bei Gustrau einen wesentlichen Teil seiner Arbeit. Zunächst importiert er die Fotos in Lightroom und entwickelt sie vor. Bei klassischen Porträts führt er leichte Retusche-Arbeiten durch, Photoshop verwendet Gustrau für Composings, etwa um Personen aus Studiobildern in neue Umgebungen zu montieren. Die Schwarzweißumsetzung erfolgt in Lightroom oder in NIK Silver Efex. „Die Presets in der NIK Software Collection geben mir auch immer wieder Anregungen, in welche Richtung Bilder entwickelt werden können. Anhand von globalen Parametern und lokalen Anpassungen ist dann schnell ein passender Look kreiert“, verrät Gustrau. [caption id="attachment_669039" align="aligncenter" width="1000"]Hiding Hiding – Ort: Wissenschaftspark Gelsenkirchen. Bildidee: Schwarzweißporträt. Das Verstecken hinter dem Kragen ergab sich beim Durchspielen unterschiedlicher Posen und passt hier wohl ganz gut.
Fotograf: Frank Gustrau[/caption]

Interview

ColorFoto: Wie bist Du zur Fotografie gekommen? Frank Gustrau: Als ich 2006 mit der digitalen Fotografie begonnen habe, waren meine bevorzugten Motive Architekturaufnahmen und Kunstwerke in Museen oder im öffentlichen Raum. Mein Workflow war entsprechend angepasst. Seit Ende 2013 fotografiere ich verstärkt auch Menschen. Zuerst sind diese eher zufällig auf meine Bilder geraten und ich habe gemerkt, dass sie den Bildern eine zusätzliche Dimension geben, die ich fortan nicht mehr missen möchte. Seit 2015 ist der Mensch im Bild mein Hauptanliegen. Entsprechend musste ich meinen Workflow komplett umstellen und ständig dazulernen. ColorFoto: Was macht für Dich die Faszination daran aus? Frank Gustrau: Mir fällt gerade ein Zitat ein, das ich nur aus dem Gedächtnis zitieren kann, aber das die Möglichkeiten der Kunst und Fotografie ganz gut beschreibt: „In the safe arena of art, we can afford to face our vulnerability and helplessness. It offers us a nonparalyzing look into the abyss that – in real life – would turn us to stone.“ „In der Kunst können wir unsere Verletzlichkeit und Ohnmacht ausdrücken. Sie bietet uns die Möglichkeit, einen ungehinderten Blick in den Abgrund zu werfen, der uns im wirklichen Leben völlig lähmen würde.“ In meiner Studienzeit habe ich mich neben dem technischen Studium intensiv mit Philosophie und Kunstgeschichte beschäftigt auf der Suche nach Antworten. In der Fotografie mit Menschen kann ich mich diesen existenziellen Fragen nun wieder auf eine neue Art nähern. Der Mensch im Bild erfordert immer auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der abgebildeten Person. Die Arbeit mit Menschen ist vielfältig und auch ein Stück weit unberechenbar. Und genau so soll es sein. Es gibt immer wieder überraschende Bilder und neue Impulse. Die Hoffnung ist es, Bilder zu machen, die einige Menschen erreichen und ihnen etwas geben. ColorFoto: Deine Lieblingsmotive sind aber dennoch vorwiegend Frauen. Warum? Frank Gustrau: In der Regel setze ich meine Bildideen mit Frauen als Modelle um. Da ist einfach das ästhetische Moment, das man in Fotografien auch immer erwartet, größer. Die Formen sind weicher und fließender, die Arten der Bekleidung variantenreicher. Außerdem wirken einige Gefühlsregungen authentischer und nachvollziehbarer oder auch gesellschaftlich akzeptierter. ColorFoto: Welchen Zweck erfüllt Nacharbeit für Dich? Frank Gustrau: Es ist ein zweiter kreativer Prozess nach der Aufnahme des Bildmaterials. Mit den persönlichen Fertigkeiten in der Bearbeitung steigt im Laufe der Zeit auch die Fähigkeit, die Bildwirkung zu verdichten oder auch von der Fotografie zu Fotokunst fortzuschreiten. Manche Betrachter haben Probleme mit intensiver Bildbearbeitung. Ich sehe das Ganze völlig wertfrei und ohne jedes Dogma. Es ist legitim für Fotografen möglichst dicht an der vorgefundenen Realität zu bleiben und die Bearbeitung auf ein Minimum zu reduzieren. Es ist ebenso legitim, Bilder zu optimieren oder zu verfremden und sich Phantasiewelten zusammenzubauen, die kaum mehr die Einzelbilder erkennen lassen. Die Spannweite in diesem Bereich ist so groß, dass jeder Fotografiebegeisterte hier seinen persönlichen Stil entwickeln kann. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft mit vielfältigen Anschauungen. Das wollen wir dann auch in den Bildern sehen. ColorFoto: Du hast Dich im Oktober 2013 in der fotocommunity registriert. Wie bist Du zur fotocommunity gekommen und welche Funktionen schätzt Du besonders? Frank Gustrau: Es geht mir in erster Linie darum, ein Zuhause für meine Bilder zu haben, wo ich regelmäßig meine Arbeiten darstellen und mich mit anderen konstruktiv austauschen kann. Ziel ist es, Teil dieser Gemeinschaft zu sein und Impulse aufzugreifen, aber auch selbst Impulse zu geben. Ich muss sagen, dass das ganz gut funktioniert. ColorFoto: Welchen Einfluss hat die fotocommunity auf Deine Fotografie? Frank Gustrau: Natürlich schaue ich mir die Bilder von anderen intensiv an und frage mich, was mich daran begeistert und was ich daraus für mich lernen kann. Das bringt mich dazu, auch Bilder in dieser oder jener Art machen zu wollen. So bin ich zum Beispiel auf surreale Spiegelbilder gekommen und habe selbst in diesem Bereich experimentiert. ColorFoto: Hast Du fotografische Vorbilder, und wenn ja welche? Frank Gustrau: Es sind eigentlich immer wieder Einzelbilder ganz unterschiedlicher Fotografen und Genres, die mich begeistern, und denen ich versuche auf den Grund zu gehen, die etwas in mir anklingen lassen. Ich versuche den Fotografen dieser Bilder dann, wenn mir das möglich ist, auch ein positives Feedback zukommen zu lassen, sodass sie wissen, dass ihre Werke jemanden erreicht haben und nicht einfach in einer anonymen Bilderflut untergegangen sind. ColorFoto: Was macht für Dich Deine persönliche Handschrift aus? Frank Gustrau: Sehr schwer zu sagen. Da ich meist aus dem Bauch agiere, gibt es keine klare Handschrift. Ich schaue nach dem, was für mich funktioniert. Nicht alles kann ich in dem Sinne umsetzen, wie ich es im Kopf habe, weil geeignete Modelle oder Bearbeitungsfertigkeiten auf meiner Seite fehlen. Dann bleibe ich auf halbem Wege stehen oder biege in eine andere Richtung ab. Da muss man auch schon mal pragmatisch oder geduldig sein. fotocommunity-Fotograf : Phofragus Beruf: Professor an der FH Dortmund, fotocommunity-Mitglied seit : 2013

Ausrüstung:

  • Kameras: Sony Alpha 99 und Sony Alpha 7
  • Objektive: Sony 1,4/50 mm, Tamron 2,8/70-200 mm, Sony FE 3,5-5,6/28-70 mm
  • Zubehör: Walimex Studio- Dauerlicht, Aufsteckblitze
Redaktion Sabine Schneider]]>

2 Comments:
22. April 2017

Interessant ist der fotografische Werdegang. Angesprochen fühle ich mich von der Aussage „vom Foto zur Fotokunst“ durch Nachbearbeitung in Photoshop. Auch ich sehe darin ein probates Mittel, Aussagen auf Fotos weiter zu entwickeln.
Die gezeigten Beispielbilder mit Erklärungen beruhigen mich, zeigen mir einfach, dass auch Fotoprofis nicht alles im Vorhinein planen sondern sich auch vom Augenblick mit leiten lassen. Ist es also nicht eigentlich eine Stärke, häufiger von geplanten Bildideen abzuweichen und sich auch mal „gehen zu lasen“?
Ich würde mich freuen, einmal mit Herrn Gustrau zusammen arbeiten zu dürfen.

20. April 2017

ein sehr sympathisches Interview.
kann mich den Aussagen in großem Maße anschließen.
Uli

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